Donnerstag, 19. Mai 2011

6 - Die Einbauten: Worum geht's?

(Vorherige Kapitel: Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5aKapitel 5b, Kapitel 5c)

Nachdem wir die beiden Wände endlich auf Vordermann gebracht haben, widmen wir uns erst einmal der Frage: "Was wird nun aus unserem Raum?".

Hierzu ist es erforderlich, sich einmal die Pläne anzuschauen, die unser Studioplaner uns zur Verfügung gestellt hat, und sich zu überlegen, was genau dort passieren soll und warum. Natürlich ist dann auch die Frage interessant, in welcher Reihenfolge wir das Ganze bauen sollten.


Die Pläne, die ich hier zur Verfügung stelle, sind aus urheberrechtlichen Gründen NICHT die endgültigen Pläne. Es handelt sich hierbei um die Entwurfsplanung in der ersten Fassung. Die hat noch ein paar Fehler und auch sind nicht alle Elemente eingezeichnet. Dennoch kann man hier schon sehr schön erkennen, was später mit dem Raum passieren soll. Mit diesem Plan habe ich auch die weiteren Schritte für den Raumumbau planen können.


Nun, was sagt uns das? Hierzu sollten wir uns das Ziel vor Augen führen: Der Raum soll in einem möglichst breiten Frequenzspektrum gleichmäßig bedämpft werden, um im Endeffekt ein schnelles, kontrolliertes Aussschwingen zu ermöglichen. Sprich: Wir müssen die Energieen möglichst aller Raumreflexionen in kürzester Zeit eliminieren oder wenigstens soweit absenken, dass sie keine störenden Auswirkungen mehr auf das Lautsprechersignal an der Abhörposition haben.

Da der Energieanteil der tiefen Frequenzen vergleichsweise weitaus höher ist als der höherer bzw. hoher Frequenzen, ist - wie eigentlich in jedem Raum - der Bassbereich derjenige, der am schwierigsten in den Griff zu bekommen sein wird. Hier reden wir sowohl von einfachen Frequenzüberlagerungen des Lautsprecher- mit den Reflexionssignalen als auch von Laufzeitproblemen, die durch die Reflexionen entstehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Bass bekanntermaßen quasi kugelförmig ausbreitet und allein schon aufgrund dieser Tatsache weitaus mehr reflektierende Flächen erreichen wird als alle höher liegenden Signale.

Sie haben verstanden? Es wird schwierig. Aber leicht haben wir es uns schon bis hierhin nicht gemacht, also setzen wir noch einen drauf:

Was nützt es, sich allein auf den Bassbereich zu stürzen, wenn der Rest des Frequenzspektrums keinerlei Beachtung finden würde? Sie raten richtig: nichts :-). Also möchten wir möglichst breitbandig arbeiten, um eine möglichst effiziente Absorption zu erreichen.

Also geht es jetzt um die vielen Maßnahmen, die für die breitbandige Wirkung sorgen und die ich Ihnen hier nun einzeln kurz vorstellen möchte. Wir beginnen unten im Raum, gehen von dort in die Raumecken, dann entlang der kurzen Wände bis zu den rechts und links liegenden Wänden neben der Eingangstür.

Ich beschränke mich auf die Darstellung einer Seite (von unten auf der Zeichnung über die linke Raumhälfte), da der Raum ja aufgrund unserer vielen Arbeit bislang 100%ig symmetrisch ist. Alles was ich beschreibe, ist also doppelt vorhanden (bis auf die Maßnahme direkt in der Mitte; und mit der beginnen wir jetzt direkt):

Die "Bassbremse" (ganz unten im Raum, mittig)
Die "Bassbremse" ist eigentlich ein genau mittag im Raum platzierter, sehr massiver Holzkasten, dessen Wände aufgrund der Masse als schallharte Flächen gebaut werden und damit als Vollreflektor dienen. Die "Bassbremse" befindet sich direkt hinter den Lautsprechern (in der Zeichnung sind das die schräg angeordneten Rechtecke). Damit erreichen wir zunächst nichts anderes als eine Laufzeitkorrektur der Reflexionen tiefer Frequenzen, die ohne die Bassbremse zunächst zu weit Richtung der nächstgelegenen Wand laufen müssten, um danach zeitverzögert und immer noch recht energiegeladen an der Hörposition anzukommen. Gegen die Energiegeladenheit können wir in dieser Konstellation zunächst leider nichts unternehmen (Maßnahmen dagegen kommen aber noch...). Aber wenigstens die Laufzeitverzögerung wird weitestgehend eliminiert. Wie wir später feststellen werden, ist dies schon ein riesen Schritt! Bereits nach der Installation der "Bassbremse" wird der Bass zwar immer noch zu intensiv aber genauestens definiert und präzise zu hören zu sein, keine nennenswerten, die abzubildende Bassfrequenz negativ beeinflussenden frequentiellen Überlagerungen mehr geben dürfte. Ungewollte Auslöschungen oder ähnliche phasenspezifischen Probleme beispielsweise, die durch diese Laufzeitverzögerungen erzeugt werden, sind somit fast schon ein Relikt der Vergangenheit.

Porösabsorber
Wie wir später feststellen werden, werden dies Absorber der einfachsten Bauweise. Sie sind an den Seitenwänden angebrachte, relativ kleine Absorber mit Holzrahmen, welche lediglich schallschluckendes Material beinhalten werden. Sie sind genau in den Raumecken angebracht und verfolgen lediglich den Zweck, Bassreflektionen in den Raumecken zu eliminieren, die einen Großteil künstlicher raumbasierter Erhöhungen des Bassanteils im Gesamtsignal zur Folge hätten.

Plattenschwinger-/Porösabsorberkombination 1
Der erste von insgesamt drei Plattenschwinger-/Porösabsorberkombinationen pro Seite (also sechs insgesamt). Wie wir feststellen werden, ist so ein Ding nicht ganz einfach zu bauen, aber ausgesprochen effizient! Zunächst sorgt ein ordentlich vollgepackter Dämmmaterialbereich innerhalb eines Holzrahmens für die breitbandige Absorption von Frequenzen bis in die unteren Mitten. Die - dem Namen des Moduls folgend - schwingenden Platte darunter "übernimmt" an der Grenzfrequen des Porösabsorberteils und sorgt für die Absorption tiefer liegender Frequenzen, was bei der Beschaffenheit der Konstruktion bis in den Subbassbereich gehen wird. Hierbei wird auftreffender Schall in Wärme umgewandelt und "verbrennt" sozusagen. Auch für diese Module werde ich später sowohl die Bau- als auch die Funktionsweise noch genauer erläutern, aber soviel erstmal für den Moment.

Schallführendes Element
Die schräge Fläche, die oberhalb von Absorber "B" zu sehen ist, ist lediglich eine schallharte schmale Wand, die nichts anderes macht als seitlich die von der Bassbremse und den Lautsprechern abgestrahlte,
Schallenergie hinter die Abhörposition abzulenken, so wie dann von weiteren Absorbern und Diffusoren weiter beeinflusst wird. Diese Elemente dienen der Verbesserung des Stereo-Images unseres Regieraums.

Plattenschwinger-/Porösabsorberkombination 2 und 3
Bei diesen Modulen haben wir es mit einer ähnlichen Bauweise wie bei Plattenschwinger-/Porösabsorberkombination 1 zu tun. Lediglich die Parameter dieser Module sind unterschiedlich, wodurch diese Elemente jeweils andere Grenzfrequenzen besitzen. Aufgrund der großen Wirkungsfläche dieser Plattenschwinger und deren unterschiedlicher Stimmung tragen diese Module ganz entscheidend zur auch im Bassbereich gleichmäßigen Bedämpfung des Raumes bei.

Diffusoren (rechts und links der Tür befindlich)
In einem so stark bedämpften Raum, wie dieser es nach dem Umbau ist, stößt die menschliche Wahrnehmung irgendwann möglicherweise an ihre Grenzen. Das Auge teilt dem Gehirn mit: "Ich bin in einem geschlossenen Raum dieser oder jener Größe und ich sehe Flächen aus Beton, Holz und Glas.". Das Ohr hingegen erzeugt den Eindruck: "Hier ist nix los, es gibt so gut wie keine Reflexionen mehr und wenn überhaupt, hört es sich hier 'muffig' an. Könnte vielleicht künstlich bedämpft sein, aber ich kann anhand von early reflections keine ordentlichen Raummaße bestimmen.". Diese Informationen sind verwirrend und tragen nicht wirklich zu einer Atmosphäre bei, die auch lange Arbeitssessions in einem solchen Raum zulassen. Kopfschmerzen wenn nicht gar Störungen des Gleichgewichtssinns können die Folge sein. Wenn man hier mit Kunden arbeiten will, ist das kein wirklich schöner Zustand. Um diesen Effekt auszublenden, werden Diffusoren rechts und links der Tür angebracht, die die letzten verbleibenden (recht energieschwachen) Signale mithilfe ihrer runden, aus einem bestimmten Kreisbogen ausgeschnittenen Front chaotisch bzw. dem Namen entsprechend diffus zurück in den Raum strahlen. Es entsteht ein frischer, räumlich nicht mehr so arg fremdartiger Eindruck.

Porösabsorber an der Decke (auch im Türbereich)
Diese Module haben die gleiche Dicke und Befüllung wie die Porösabsorber in den Ecken des Raums (sh. oben). Damit werden Moden zwischen Decke und Boden eliminiert, Flatterechos, die nur im türzugewandten Teil des Raums aufgrund der parallelen Flächen entstehen können und sonstiger frequentieller "Müll" entfernt, der sich im zwischen den Parallelen Flächen der Decke und des Bodens ergeben könnte (und es ohne die Dinger auch deutlich tut!). Baulich keine große Kunst, aber im Endeffekt auch breitbandig sehr effektiv.

Noch zwei Elemente, die der o.g. Systematik folgend in der Zeichnung leider nicht zu finden sind:

Ständerwand (sh. auch Kapitel X)
Noch einmal ein kleiner (baulicher) Rückschritt, bevor wir uns der Bauweise der einzelnen Module zuwenden:

Der Wand zur linken in der Zeichnung, die wir in den letzten Kapitel bereits gebaut hatten und mit der wir 10cm von der Ursprungswand aus Symmetriegründen entfernt haben, kommt noch eine kleine aber gewichtige Sonderrolle zu: Sie selbst ist aufgrund ihrer Bauweise (sh. oben) ebenfalls so etwas wie ein Plattenschwinger mit einer enorm großen Wirkfläche. Zwar werden auf dieser Wand ein paar der o.g. Absorber angebracht, die sie am Schwingen etwas hindern, aber dennoch hilft diese Wand, enorm tiefe Frequenzen zu absorbieren und - genau wie die o.g. Plattenschwinger - in Wärme umzuwandeln und somit zu vernichten. Aufgrund der großen Fläche und der damit zusammen hängenden hohen Masse erzielen wir hier eine spürbare Auswirkung bis hinein in die tiefsten Frequenzen (ca. 20 Hz). Zur Bauweise siehe Kapitel 5c.

Kabelkanal
An den Wänden des Raums wird rund herum noch ein Kabelkanal gebaut, der hilft alle Stromwege später von den Audiowegen zu trennen. Zudem ist er dazu gedacht, optisch ein wenig Ästethik in die meist komplexe und auch unschöne Verkabelung des Studios zu bringen. Akustisch erfüllt er absolut keine Funktion.

Soviel zu den verschiedenen Modulen. In den folgenden Kapiteln kommen wir zu deren Bauweise im einzelnen. Siehe hierzu Kapitel 7.

Lautsprecherständer
Die dürfen hier auf keinen Fall vergessen werden. Denn wer glaubt, dass ein Lautsprecherständer lediglich dazu gedacht ist, ein Ständer für einen Lautsprecher zu sein, der irrt gewaltig! Diese Module erfüllen eine immens wichtige Rolle für die Raumakustik! Wer hier mit dem falschen Ansatz dran geht, hat schlechte Karten, da man mit einem schlechten Lautsprecherständer das Direktsignal der Lautsprecher extrem mies beeinflussen kann. Wenn man sich solche Mühe mit dem Raum macht, dann sollte man sich diese auch mit den Ständern machen, glauben Sie mir das einfach! Die Teile werden recht unscheinbar (und damit edel) aussehen und sind später unglaublich massiv. Das müssen sie sein, um Eigenschwingungen zu verhindern. Auch hier zur Bauweise mehr in Kapitel 8.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen