Montag, 6. Juni 2011

9 - Die "Basssperre" (Reflektor zur Korrektur von Laufzeiten)

(Vorherige Kapitel: Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5aKapitel 5bKapitel 5cKapitel 6Kapitel 7, Kapitel 8)


In diesem Kapitel widmen wir uns dem ersten Bauteil, welches - abgesehen vom akustischen "Nebeneffekt" der Stellwand (Kapitel 5c) - direkt für die Veränderung der Raumakustik zuständig ist.

Wir nennen es "Basssperre" und glauben Sie mir: Nachdem Sie so ein Teil gebaut haben, werden Sie mir beipflichten, wenn ich behaupte, dass dieses Teil auch ganz einfach "Monstrum", "Kollos" oder ähnlich wenig wissenschaftlich aber dennoch genauso passend nennen können.

Dieses Teil ist einfach riesig, tierisch massiv und daher auch entsprechend schwierig zu bauen und echt eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme an sich...

Trotzdem machen wir uns (in diesem Fall und diesem Raum!) an diese Arbeit. Ich berichte deshalb von dieser Arbeit, weil es eine Menge Leute geben wird, die das Problem haben, unterhalb einer Dachschrägen arbeiten zu wollen bzw. zu müssen. Die meisten Menschen, die dieses Schicksal teilen, werden es unter Umständen sogar vermeiden wollen, die Schräge effizient für sich einzusetzen, was meist zu einer komplett falschen Anordnung der Abhöranlage oder der akustischen Bauelemente führt.

Dahinter steht meist die Angst, dass die Schräge mehr kaputt macht, als dass sie hilft. Zudem hat man ja das Problem, dass sich unterhalb der Schrägen nur in gewissem Abstand zum Drempel überhaupt Dinge hinstellen lassen, wie z.B. die Lautsprecher auf den dicken Ständern aus dem letzten Kapitel, die ja in Ohrhöhe stehen wollen.

Die erstere Angst ist unberechtigt, denn die Schräge kann bei vernünftiger Nutzung sogar ausgesprochen effizient helfen, einen Großteil der Reflexionen, die uns den Direktschall verwässern wollen, am Arbeistplatz vorbei zu lenken, geradewegs in die Absorber hinein. Genau DAS machen wir uns zunutze, ohne weitere Baumaßnahmen abwickeln zu müssen.

Das zweite Argument allerdings, nämlich das mit dem Wandabstand z.B. der Speaker, ist allerdings durchaus berechtigt. Schließlich breitet sich der Schall im Bassbereich kugelförmig aus. Betrachten wir dabei die Ausbreitungsebene parallel zum Boden, stellt man schnell folgendes fest: Der Schall, der aus der eigentlich Laufrichtung heraus nach hinten an die Wand, also den Drempel unterhalb der Schrägen geworfen wird, muss vom Lautsprecher aus zunächst diese Strecke zurück legen, um dann - kaum energiereduziert - wieder zum Arbeitsplatz hin reflektiert zu werden. Diese Reflektion führt sozusagen zur Schaffung einer Pseudoschallquelle. Später trifft die Energie dieser Pseudoschallquelle - um einige Millisekunden versetzt - beim Hörer ein.

Das führt zu einem undefinierten Bass aus zweierlei Gründen:
  1. Das reflektierte Basssignal trifft hörbar später als das Direktschallsignal aus dem Lautsprecher beim Hörer ein. Diese Laufzeitdifferenz äußert sich so, als sei der Bass künstlich "in die Länge" gezogen worden. Der Bass klingt also bei weitem nicht mehr so "tight" wie er eigentlich zu hören sein sollte bzw. wie er sich auf der Aufnahme, die wir mischen/mastern wollen, tatsächlich befindet.
  2. Die Wellen des Direktsignals werden von denen der Pseudoschallquelle "Drempel" auch frequentiell überlagert. Das führt zu unangenehmen Auslöschungen und/oder Verstärkungen des eigentlichen Signals, die weder zu hören sein dürfen, noch unter optimalen Bedingungen zu hören wären.
Die einzige Möglichkeit, diese ungünstigen Verhältnisse durch raumakustische Methoden zu verbessern  ist leider nicht, die Pseudoschallquelle gänzlich zu elminieren. Ein bisschen reflektierter Bass bleibt leider bei einer freistehenden Lautsprecheraufstellung immer, egal was man tut. Aber was wir tun können, ist die Pseudoschallquelle zu versetzen, so dass keine oder wenigstens kaum noch Laufzeitveränderungen auftreten.

Und hier hilft - endlich! - die "Basssperre". So eine "Basssperre" (das ist eine ausgesproche unwissenschaftliche Bezeichnung) macht folgendes: Der Bass, der sich bekanntermaßen kugelförmig ausbreitet, soll dies nach hinten, also vom Hörer weg, nicht mehr tun, so dass die o.g. Fehler durch die Laufzeitüberlagerung des Direktschalls zum Raumklang minimiert wird. Die Kugel der Ausbreitung wird durch die Basssperre in eine Halbkugel verwandelt. Und das hilft, glauben Sie mir :-)

Nun, was ist denn das jetzt genau? Eigentlich ganz easy: Das ist nichts anderes als eine direkt hinter die Lautsprecher angebrachte schallharte Wand, in unserem Fall aus Holz.

Und damit so eine Holzwand schallhart wird, muss sie was haben? Richtig: Masse, Masse und nochmal Masse... Wir kennen das ja bereits.

Damit sie die bekommt und gleichzeitig eine vernünftige Optik, weil das Ding wirklich ein riesen Remmel wird (in meinem Fall über 3,20 Meter breit und 1,38 Meter hoch...) bedienen wir uns mal wieder Birke-Multiplex mit 2,6 cm Stärke. Das wiegt, das kann ich Ihnen sagen... Außerdem kann es kaum einer in der gewünschten Größe liefern. Da bleibt nur: Stückeln! In meinem Fall habe ich die ca. 3,20 Breite in zwei Hälften zuschneiden lassen. Leider reicht das mit der Birke-Multiplex aber bei Weitem nicht aus.

Ergo wird das Monstrum noch durch weitere Platten verstärkt. Hier reichen zwar dicke, aber weitaus günstigere Platten wie z.B. Spanplatten 2,2 cm stark oder dicker. Hiervon gelangen zwei Schichten hinter die Multiplex-Frontplatten.

Das Ding wird also wirklich heavy! Wenn Sie sich sowas bauen, holen Sie sich bitte Hilfe hinzu! Wenn die Wand einmal massiv zusammen gebaut aber noch nicht in der Wand verankert ist, besteht permanent  die Gefahr, dass sie umfällt. Das kann fatale Folgen und ernsthafte Gesundheitsschäden mit sich bringen! Ich meine das Ernst! Holen Sie sich für dieses Ding Hilfe!!!!!

Wie baut man es? Es wird - natürlich exakt mittig - in unserem Fall unter die beiden Fenster gebaut. Da es möglichst effizient arbeiten soll, muss es so hoch wie möglich sein, sprich: Wir gehen bis zur obersten möglichen Kante der Fensterlaibung, ohne die Funktionalität des Fensters an sich zu stören. Darüber hinaus werden die Platten so nah wie möglich (Unterkante Fensterlaibung!!) Richtung Drempel gestellt. 

Hier kommt die erste Hürde: Natürlich müssen wir die Platten auf die maximale Höhe zuschneiden lassen. Die beiden Platten werden passgenau unter die Fenster gestellt, damit links und rechts der Fenster exakt die richtigen Abstände stehen bleiben.

Nun müssen Sie die Platten selbst weiter so bearbeiten und zuschneiden, dass die Maximalhöhe in den Fensterlaibungen stehen bleibt, aber seitlich der Fensterlaibungen nur noch die dort maximal mögliche, durch die Schräge vorgegebene Höhe erreicht wird.

Ist alles ein bisschen kniffelig, und die Masse der Platten tut ihr übrigstes, uns beim Bauen Steine in den Weg zu legen... Hier sind die Platten nur erst mal hingestellt, die Ecken, die verschwinden müssen, wurden eingezeichnet und danach entfernt. Hier wird noch Anpassungsarbeit nötig sein! So sieht das bis dahin aus.

Linke Hälft des Reflektors. Zugeschnitten, aber noch nicht endgültig verbaut.

Und das Ganze nochmal mit der rechten Hälfte. Hier sieht man schön, dass die Platten nur so grob vor dem Fenster stehen.
Anpassung der Frontplatte an die Fensterlaibung.
Nun werden die einzelnen Platten (VON HINTEN!!!) verschraubt, damit man später keine hässlichen Verschraubungen mehr sieht. Passende Schrauben (auf die Länge achten!) natürlich vorausgesetzt.
Die erste Platte der ersten Beschwerungsschicht wird angeschraubt.

Die zweite Schicht (=die erste Beschwerungsschicht) ist aufgebracht. Links ist schon die nächste zu sehen.

Hier ist alles fertig verschraubt und muss jetzt natürlich zur Anbringung an die Wand und unter die Fenster noch mal umgedreht werden (viel Spaß dabei...).


Nach der Verschraubung hat unsere "Basssperre" eine Dicke von 7-8cm und ist bei der Größe wirklich erheblich schwer. Das muss sie auch sein, schließlich braucht sie genug Masse, um "schallhart" auch tiefen Frequenzen gegenüber zu sein.

Nun drehen wir das gute Stück noch mal um (Vorsicht! Wenn Ihnen die Platte auf die Füße knallt, haben sie mal Füße gehabt. Außerdem hängen Sie dann wahrscheinlich plötzlich ein Stockwerk tiefer...) und passen es genau unter den Fensterlaibungen ein. Genau deshalb haben wir uns ja so viel Mühe gemacht, das Ganze vorher (!) genauestens anzupassen. Wenn Sie das jetzt noch machen müssten, wäre das so gut wie unmöglich.

So sieht das Ganze fertig aus, wenn es vor der Anbringung vernünftig an die Raumgegebenheiten angepasst ist.

Nochmal der (fast) fertige Zustand bei Nacht. Hier kann man die Vorbereitung für die nächsten Schritte gut erkennen: Anzeichnen der Steckdosenlöcher und Bohrungen für die Wandverankerung schaffen.

Passt alles, haben Sie das gut gemacht! Passt es nicht, müssen Sie leider nochmal ran... Gehen wir davon aus, dass alles okay ist, werden jetzt die weiteren Arbeiten gemacht: Anbringen der Markierungen für die Steckdosen (irgendwo muss ja der Strom her kommen...) und Bohren der Löcher für die Wandverankerung.

Mit dem Forstnerbohrer (hier: 30mm) werden größere Löcher gebohrt, die später mit einem 8mm dicken Bohrer komplett bis hinten durch gebohrt werden. Hier werden Gewindestangen (M8) als Wandverankerungen eingesetzt.

Nochmal so'n schönes Forstner-Loch in groß. Genau mittig wird dann das 8mm-Loch für die Gewindestange angesetzt.
Durch diese Löcher stecken wir M8-Gewindestangen und markieren auf der Wandseite die ankommende Stelle. Dort wird dann später gebohrt, um der Verankerung Platz zu schaffen.

Die Stange wird eingesteckt und mit ausreichend großen Unterlegscheiben und M8-Muttern von innen (!) versehen. Vergessen Sie das nicht! Ohne die Dinger können Sie die Verankerung nicht wirklich gut nutzen, weil sie die Platte nicht mehr vernünftig zum Boden hin anwinkeln können. Sie wollen doch auch hier exakt einen rechten Winkel, oder? Also denken Sie an die Muttern und Unterlegscheiben!

Jetzt noch mit Verbundmörtel ("Flüssigdübel" habe ich als Bezeichnung noch irgendwo gefunden) oder ganz einfach Messing-Dübeln das Ganze verankert. In die Forstner-Löcher jetzt auch Unterlegscheiben und Muttern einführen (ich habe lieber Sicherungsmuttern, also die mit dem Gummiring drin) verwendet. Dann kann wirklich nix mehr locker werden, selbst wenn Sie die Platte trotz ihrer Dicke noch zum Rumpeln bringen sollten (schaffen sie zwar nicht, aber theoretisch wäre es denkbar ;-) ).

Okay, diese ganze Bauweise ist aufwendig, aber sie macht aus verschiedenen Gründen wirklich Sinn: Erstens bekommt die dicke Platte nur so ihre Schallhärte... Jede Holzkonstruktion mit einem Gewicht unterhalb einer so erzeugten "Wand" und ihrer gegebenen Schichtung ist sinnlos und wirkt nicht schallhart. Die Verschraubung geschieht so aufwendig und direkt von beiden Seiten erstens aus Sicherheitsgründen (kein Witz!) und zweitens für die spätere "Feinjustage" der dicken Basssperre.
Eine der vier Gewindestangen von vorne. Hier bereits fest verschraubt.

Hier sieht man die bereits mit Verbundmörtel in der Wand fest verankerte Gewindestange. Links sehen Sie die Innenverschraubung.
Haben Sie es bis hierhin geschafft, werden noch die Bohrlöcher für die Steckdosen mit einer Bohrkrone (68mm) erstellt.

Nachdem die Löcher drin sind, bitte nicht vergessen, die Basssperre ordentlich zu lackieren! Wir wollen ja, dass alles schön aussieht. Nach einer vernünftigen Lackierung (man sollte wirklich ordentlich arbeiten... "schnell, schnell" macht hier keinen Sinn!) kommt die Maserung der Multiplexplatten wunderschön zur Geltung! Außerdem hat man es später leichter mit dem Putzen.

Ist alles lackiert, werden Unterputzdosen in die Löcher verbaut und die Steckdosen eingebracht. In unserem Fall sind die jeweils außen liegenden Steckdosen für die drei Endstufen (Li/Re/LFE) vorgesehen. Die acht dazwischen liegenden Dosen sind für die Audiogeräte wie Wandler, EQs, Kompressoren etc. vorgesehen.

Ganz zum Schluss wird noch die Optik etwas gepimpt: Aluleisten entlang der Kanten und Stopfen in die Forstner-Löcher für die Wandverankerung.

Genau die letzten beiden Arbeitsschritte fehlen noch auf dem folgenden Bild, aber dem Grunde nach sieht unsere Basssperre dann irgendwann einmal so aus:

Die (fast) fertige "Basssperre". Alles passt, ist schön lackiert und der Strom ist auch wieder da. Hurra! :-) Das schwarze "Ding" in der Mitte wir die Kabeldurchführung.

Nun werden die Kabel, die vom Nachbarraum oder sonstwo her kommen (in unserem Fall hier Strom- und speziell abgeschirmte Datenleitungen für Monitore, Festplattensysteme und die Wandlereinheiten) durch den Kabelkanal und dann die Basssperre geführt. Somit haben Sie alle wichtigen aber hässlichen Leitungen schön untergebracht und sehen nichts davon, selbst wenn es dicke Kabelbäume sind. Außerdem ermöglicht uns das, die Laufwege der Audioleitungen später vollständig von denen der Stromleitungen zu trennen.

Wenn das alles fertig ist, wird der Raum zwischen der Basssperre und der dahinter liegenden Wand komplett mit Isover Akustik TP-1 ausgefüllt, damit die Wand nicht ungewollt dröhnt.

Endlich fertig! Ein hartes Stück Arbeit, zugegeben. Und das alles für ein paar Millisekunden Basslaufzeitkorrektur... Glückwunsch!

Eine Detailaufnahme verbunden mit einer Schleichwerbung kann ich mir zum Abschluss dieses Kapitels nicht verkneifen. Und zwar sehen Sie auf dem folgenden Bild die Kabelführung für Stellwände, Aufsteller der o.g. Bauweise und auch sonstige Wände schlechthin: Das DS 90 ("Dosenschott") von der Firma Kaiser. Das gute Stück lässt sich auch nachträglich ganz einfach installieren, sieht gut aus (endlich sind fiese Löcher nie wieder zu sehen!) und außerdem stellt sie einen sehr guten Brandschutz dar: Fängt es in dem einen Raum an zu brennen, verschließt sich das Dosenschott automatisch und stellt einen F30-Feuerschutz dar, so dass Feuer innerhalb von 30 Minuten nicht in den Nachbarraum übergreifen kann.

Abgesehen davon bietet es auch einen gewissen Schallschutz. In unserem Fall stehen später die Festplatten und Rechnereinheiten im benachbarten Technikraum. Von denen hören Sie nichts, auch nicht wenn sie direkt neben der Kabeldurchführung stehen.

Wenn Sie es noch nicht haben, kaufen Sie es! Es lohnt sich wirklich!

Kaiser DS 90 Dosenschott in Aktion.

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